Ihr kennt das: Ihr sitzt in einem Meeting, und irgendjemand erklärt euch einen vollkommen dämlichen Prozess. „Irgendjemand“ könnte ein Kunde oder ein Kollege sein. Um es im Text zu vereinfachen, nennen wir „irgendjemand“ nun Fred. (So heißt meine Ratte im Ava). Manchmal weiß Fred sogar, dass der Prozess vollkommen dämlich ist und begründet das Dasein des Prozesses mit den Worten „Das ist historisch gewachsen“.
Beim Thema „historisch gewachsen“denke ich sofort an IT-Regel 18. Aber immerhin hat Fred erkannt, dass sein Prozess „Optimierungspotential“ hat, weil er ein verdammtes, unkontrollierbares Chaos ist.
Masters of the Universe
Schwierig wird es, wenn Fred glaubt, dass SEIN Dasein und das Dasein des Prozesses miteinander verknüpft sind*.
Dann erfahren wir sehr schnell, dass
- man es schon immer so gemacht hat (auch bekannt als „Argument des Todes“)
- und dieser Prozess niemals nie nicht geändert werden darf, da sonst das Universum aus den Fugen gerät.
Für Freds Universum trifft das vielleicht sogar zu. In einem solchen Meeting kommen wir sehr schnell in eine typische Kopf-Tisch-Situation. (Anmerkung: Nehmen Sie bei Kopf-Tisch-Situationen niemals ihren eigenen Kopf.)
Gelegentlich erzähle ich allen Freds beim Mittagessen die folgende alte Geschichte. Manche sagen, sie käme aus Indien, andere vermuten ihren Ursprung im Internet:
In einem Kloster lebte ein alter Meister, der jeden Tag seine Andacht hielt. Da er nun mehrfach in seiner Andacht von einer Katze gestört wurde, befahl er, die Katze während seiner Andacht anzubinden. Einige Jahre später starb der alte Meister und ein neuer Meister nahm seinen Platz ein. Die Katze wurde weiter während der Andacht angebunden. Wieder einige Jahre später starb die Katze. Um eine Katze während der Andacht anbinden zu können, wurde eine neue Katze gekauft. Im Lauf der folgenden Jahre kamen Besucher aus anderen Klöstern und sahen, dass in diesem Kloster immer eine Katze zur Andacht angebunden wurde. Sie beschlossen, dies für ihr eigenes Kloster zu übernehmen. Einige Jahrzehnte später füllten die Gelehrten dicke Bücher über die liturgische Bedeutung des Anbindens einer Katze während der Andacht.
Projektkatzen
In unseren Projekten finden wir zig angebundene Katzen. Wir finden Prozessbeschreibungen über das Anbinden von Katzen, Sicherheits- und QS-Standards, technische Spezifikationen des Halsbands und vieles mehr. Ja, das Anbinden einer Katze ist ein hochkomplexer Vorgang, der nur durch speziell geschulte und jahrelang erfahrene Katzenanbindungsbeauftragte gelöst werden kann.
Liebe Katzenanbindungsbeauftragte: Hört auf zu versuchen, diese hochkomplexen Prozesse zu steuern. Hochkomplexe Prozesse sollte man nicht steuern, sondern sie vereinfachen oder abschaffen.
Lasst die Katzen endlich los.
*) Siehe auch „Wie man sein Leben durch Automation erschwert“