Wie organisiert man eine Vielzahl von Projekten in größeren Unternehmen?
Ist ein “zentrales Projektbüro” sinnvoll?
Dies war eine der Fragen, die in einer spannenden Session beim #PMCampDOR diskutiert wurden.
Hier gibt es keine pauschale Antwort. Ich denke, wir müssen hier zwei Fälle unterscheiden:
1. Firmen, die “hauptberuflich” Projekte abwickeln (z.B. Softwareschmieden)
2. Firmen, die hauptsächlich produzieren – Projekte also eher lästig sind.
(Ja, ich weiß, auch Softwarehäuser und Marketingagenturen produzieren etwas.)
Im ersten Fall macht – bis zu einer gewissen Unternehmensgröße oder Projektanzahl – ein Projektbüro keinen Sinn. Schließlich sollten hier Profis am Werk sein. Erst wenn es aufgrund der Unternehmensgröße oder Projektanzahl unübersichtlich wird, sollte es eine zentrale Projektkoordination geben (Schwerpunkt: Ressourcenplanung und Controlling).
Den zweiten Fall finde ich wesentlich spannender:
– Niemand mag Projekte, da diese das Tagesgeschäft stören.
– Kein Fachbereich will Verantwortung an eine “allwissende Müllhalde” abgeben.
Fallbeispiel
Um das ganze etwas anschaulicher zu machen, begeben wir uns wieder auf unseren Projektbauernhof.
Auf unserem Bauernhof arbeiten mehr als 100 Tiere in verschiedenen Abteilungen. Da es sich um einen fortschrittlichen Bauernhof handelt, gibt es natürlich definierte Unternehmensziele und Abteilungsziele. (z.B. 2000 l Milch / Tag aus dem Kuhstall). Außerdem gehen wir davon aus, dass keine Kuh die Prozesse im Hühnerstall kennt – und die Geschäftsführung kein Detailwissen über das operative Geschäft (mehr) hat.
Für ein Projektbüro spricht:
– Die Fachbereiche sind oft so ausgelastet / rationalisiert, dass diese keine Projektleitungsaufgaben mehr durchführen können
– Projekte müssen priorisiert und bewertet werden (Kosten / Nutzen / Unternehmensziele)
– Abhängigkeiten und “doppelte Projekte” müssen erkannt werden
(In einer meiner Ex-Firmen arbeiteten zwei Bereiche am gleichen Thema – ohne voneinander zu wissen)
– Ein Projektbüro kann bei internen Streitigkeiten (z.B. Ressourcen oder Zielkonflikte) als neutrale Instanz vermitteln
– Ein Projektbüro kann einheitliche Leitfäden durchsetzen und bei deren Durchführung unterstützen (z.B. Risiko- oder Stakeholderanalyse)
Gegen ein Projektbüro spricht:
– Der Wasserkopf wird größer
– Machtkämpfe
Kein(e) “Abteilungsfürst(in)” wird dulden, dass ihm/ihr eine andere Abteilung ins Handwerk pfuscht.
Um die Schäden bei Machtkämpfen zu dezimieren, sollte zwischen abteilungsintern und abteilungsübergreifenden Projekten unterschieden werden.
Projekt 1: „Neue Wellness für die Kuh“
Aufgrund eines Rückgangs in der Milchproduktion startet ein neues, abteilungsinternes Projekt im Kuhstall. Nach dem Vorbild der japanischen Kobe-Rinder wird dort das Motivations-Programm „Neue Wellness für die Kuh“ durchgeführt. Durch Umstellung auf gesunde Ernährung sowie die Implementierung der täglichen Kuh-Massage sollen die Mitarbeiter motiviert und die Leistungsfähigkeit in der Milchverarbeitung erhöht werden. Dieses Projekt betrifft nur der Kuhstall, ist also abteilungsintern. Deshalb hat auch das Projektbüro nicht zwangsweise etwas damit zu tun. Es ist aber trotzdem sinnvoll, dieses Projekt beim Projektbüro anzumelden, damit hier das Projektportfolio (= die Übersicht über alle Projekte) verwaltet werden kann.
Projekt 2: Entwicklung, Produktion und Vertrieb des neuen Produkts „Eierpfannkuchen“
Hierbei handelt es sich eindeutig um ein abteilungsübergreifendes Projekt. Fast alle Abteilungen des Bauernhofes sind in dieses Projekt eingebunden und bekommen Aufgaben übertragen:
– Hühnerstall: Eierlegen
– Kuhstall: Milchproduktion
– IT u. Technik: Entwicklung und Betrieb der Fertigungsstraße
– Hofladen: Regionaler Verkauf und Marketing
– Logistik: Nationaler Vertrieb
– QK-Hase: Entwurf und Kontrolle der Qualitäts-Standards, Reklamationsbearbeitung
Dieser Fall ist die perfekte Spielwiese für ein Projektbüro. Eventuell sogar in der Rolle des Projektleiters.
Ich bin also ein großer Fan von Projektbüros – wenn diese sinnvoll sind. Einige meiner Kunden haben sogar die Funktion des Projektbüros mit einem Prozessmanagementbüro gekoppelt. Hier hat man es als Dienstleister oft einfacher, da diese Firmen oft am besten auf ein neues Projekt vorbereitet sind. Das Thema der “Machtkämpfe” ist dabei allerdings nicht zu unterschätzen. Ein Projektbüro sollte daher
a) Von der Geschäftsführung beauftragt werden und deren Rückendeckung haben
b) Sich als Dienstleistungsabteilung sehen – und nicht als Machtinstrument oder allwissende Müllhalde
Soviel erst mal zum Thema “Projektbüros”. Ihr dürft auch gerne konstruktiv Kommentare / Anregungen dazu schreiben.