Unter dem Hashtag #MethodeEgal ruft das Projektmagazin zur Blogparade zum Thema Projektmanagement-Ansätze und -Systeme auf. Offen gesagt: Ich empfinde diese Diskussionen als genauso müßig, wie die Suche nach dem einzig wahren „Führungsstil“. Denn die allgemeingültige Antwort ist: Es gibt keine allgemeingültige Antwort. Unterschiedliche Projekte haben unterschiedliche Bedingungen und erfordern unterschiedliche Methoden, unterschiedliche Mitarbeiter erfordern einen unterschiedlichen Führungsstil.

Thomas Michl beschreibt in seinem Blogpost, dass es nicht auf die Methoden, sondern viel eher auf die Geisteshaltung eines Projektleiters ankommt. Werte wie Offenheit, Respekt und die Art der Kommunikation zeichnen einen Projektleiter aus. Ich stimme hier vorbehaltlos zu.

Neben den von Thomas aufgelisteten sozialen Skills, sind mir aber zwei „Geisteshaltungen“ besonders wichtig:

1.) Das ständige Hinterfragen der eigenen Rolle, der Methodik und des Führungsstils.
2.) Die Flexibilität, nach dem Hinterfragen, die gewählte Methoden anzupassen.

Projekt-Exkurs

Auf einem meiner Projektbauernhöfe gab es einmal zwei parallele Projekte:

Projekt 1:
Typ: Interne Produktentwicklung eines neuen Produkts
Aufwand: > 100 Tage, Ziel: Bestmögliches Produkt
Personal: heterogenes Team, Senioren und Junioren gemischt
Methode: Agil (Scrum)
Rezept zum Erfolg: Arbeiten auf Augenhöhe, sammeln und umsetzen vieler guter Ideen

Fazit: Product Owner zufrieden, Team stolz auf Leistung und Produkt

Projekt 2:
Typ: Kundenprojekt, Steuerung einer vorhandenen Anlage
Aufwand: > 100 Tage Entwicklung, Abbildung klar definierter Prozesse, zeitlich sehr knapp
Personal: Ein Senior Entwickler, ein Senior Berater, ein Junior, viele Azubis
Methode: Klassisch. Klar definierte Arbeitspakete, Senior definiert, Junior setzt um
Rezept zum Erfolg: Fokus auf Ausbildung, starke Kontrolle

Fazit: Projekt erfolgreich, Kunde zufrieden, enormer Ausbildungsschritt für die Azubis, Team stolz auf das Ergebnis.

Zeitgleich wurden zwei Projekte umgesetzt, die nicht unterschiedlicher sein könnten.Das Erfolgsrezept liegt für mich in der Beurteilung des Projekts, der Einschätzung des Teams und der daraufhin abgestimmten Methode.

Kriterium 1 zur Methodenauswahl: Das Projekt

Ein agiles Projekt profitiert von vielen Köpfen beim Entwurf, von Kreativität, Storytelling, „dynamischen“ Prioritäten und so weiter. Wenn ein Entwicklungsteam etwas komplett neues entwickelt und dabei viel konzipiert, bieten sich agile Methoden mehr an, als bei „starren“ Zielen.

Wenn eine Software jedoch etwa eine Produktionsanlage steuern soll, ist die Kreativität eher zweitrangig. Es gibt genau definierte Prozesse, genau definierte technische Schnittstellen, genau definierte Kosten. Es gibt auch keinen 80%-Start mit den wichtigsten Anforderungen aus Anwendersicht. Am Tag X muss die Maschine zu 100% laufen. Für mich sind solche Projekte eher einen Fall für klassisches Projektmanagement.

(Und wehe es sagt jemand „Waterfall“, denn “Waterfall” ist ein Modell und keine PM-Methode. Außerdem erfordert jedes Projekt eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. Meiner Meinung nach gibt es keine reinen “Waterfall-Projekte”, also keine “nicht-agilen” Projekte. Zumindest habe ich in 18 Jahren IT-Geschäft kein Projekt ohne ständige Veränderung und Anpassung erlebt.)

Ich persönlich halte Scrum & Co z.B. bei „internen“ Projekten für die bessere Methode. In Kundengesprächen stelle ich immer wieder fest, dass der Kunde GENAU wissen will, welche Funktion er am Tag X zum Preis Y bekommt. (Das liegt bei mir vielleicht an der Branche).

Kriterium 2 zur Methodenauswahl: Das Team

Wenn wir ehrlich sind, bekommen wir nicht immer das Team, das wir gerne hätten.

Der Idealfall wäre natürlich das dynamische, hochmotivierte Team von Könnern im Mix mit ein paar lernwilligen Anfängern. Wenn wir ein solches Hochleistungsteam haben, wird dieses Team jedes Projekt umsetzen können – und vermutlich wird sich das Team wohler fühlen und die besseren Ergebnisse erzielen, wenn das Projektteam beispielsweise mit Scrum arbeitet.

Wir haben aber zu wenig „ideale“ Teams. Wir haben Teams voller Anfänger, denen (noch) die Basiskenntnisse fehlen, um eigene Ideen zu entwickeln. Wir haben Teamkollegen, die unzuverlässig sind und deren Fertigstellungstermine ständig kontrolliert werden müssen. Wir werden während des Projektes versuchen, Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen, die keine Verantwortung tragen wollen – oder können. Der Kunde wird uns vielleicht Menschen in das Projekt setzen, die noch ihre wahre Qualifikation suchen (Zitat eines Chefs: „Pfeifen haben immer Zeit”). Im schlimmsten Fall werden wir interne oder externe Projektmitarbeiter haben, die das Projekt hassen und es sabotieren werden. Ein solches Team ist anders zu führen, als unser Wunschteam. (Stichwort #PMAxt).

Methode egal? Hauptsache schwimmen?

Ein guter Projektleiter (er)kennt sein Team – und passt die Methode an. Da wir über Hochleistungsteams sprachen, bietet sich der Vergleich zum Leistungssport an. Da eine Bekannte von mir Schwimmerin ist, gehen wir für einen Vergleich ins Wasser:

  • Mit einer Bande von neunjährigen Seepferdchenschülern werde ich kein olympisches Gold holen.
  • Jemanden, der nicht teamfähig ist, setze ich nicht in einer Staffel ein.
  • Es gibt nur wenige Sportler, die in allen Disziplinen (z.B. Brust- oder Rückenschwimmen) sehr gut sind.
  • Einen Rückenschwimmer schicke ich nicht in ein Brust-Rennen – und umgekehrt.

Ein guter Trainer wird den Seepferdchen erst das Schwimmen beibringen, bevor er auf Turniere fährt. Wie bleibe ich über dem Wasser? Erst danach beginnt das Leistungstraining.
Ein guter Trainer wird eine Staffel zusammenstellen, die funktioniert und die „schwierigen Fälle“ motivieren oder als Einzelsportler einsetzen.
Ein guter Trainer wird die Disziplin für seine Sportler aussuchen, in der sie zu Höchstleistungen fähig sind und sie dann fördern und fordern. Zum Fördern und Fordern wird er manchmal der kumpelhafte Motivator und ein andermal der erbarmungslose, fiese Drill Sergeant sein. So viel zum Thema Sport, denn von Sport verstehe ich noch weniger als von Projekten. 😉

Fazit: Die Methode ist nicht egal

Meiner Ansicht nach, ist die Methode nicht egal. Die Methode muss zum Projekt, aber vor allem zu jedem einzelnen Mitarbeiter des Teams passen. Projekte erfordern Höchstleistung des gesamten internen und externen Teams. Der Projektleiter muss die richtige Methode wählen, um Stärken seines Teams zu fördern und die Schwächen auszugleichen.