Wenn man einigen Managementbüchern Glauben schenkt, erfordern komplexe Situationen immer ein selbst denkendes Hochleistungsteam, denn jegliche Form der Hierarchie behindere den Mitarbeiter in seiner Entfaltung und ist somit kontraproduktiv. Hierarchien funktionieren somit nur in der „Routine“ niemals aber in komplexen, einmaligen Problemstellungen. Ist das so? Sind Hierarchien im Projekt schädlich?

Einer meiner ehemaligen Geschäftsführer wird gerne mit dem Satz „Projekt ist Krieg !!111!!!11!“ zitiert.

Der Vergleich ist mir zwar zuwider, aber lassen wir uns kurz auf die Denkweise meines Ex-Geschäftsführers ein. (Ihr liegt richtig, wenn ihr vermutet, dass er nicht gerade ein Freund der Schwarmintelligenz und von autonomen Teams war.)

WTF?

Ihr werdet jetzt vielleicht denken: „Liebes IT-Fettchen, das ist doch Taylorismus in Reinstform, sozusagen Punish, don’t support“.

Jein. Ich bin überzeugt, dass ein gutes Team fast immer die bessere Lösung findet, als ein ein einzelner Chef in der Hierarchie. Dazu müssen aber Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss ein tatsächlich ein gutes Team sein (und sich nicht nur selbst als solches empfinden)
  • Es muss Entscheidungsoptionen geben – in manchen Projekten gibt es diese nicht.

Kann man auf Hierarchien verzichten?

Meine Ansicht: Nein. Man kann Hierarchien flach gestalten, aber selbst wenn ich ein tolles Projekt habe, also ohne Krieg, sind gelegentlich Entscheidungen notwendig, für die man eine Hierarchie braucht. Z.B. die Abwägung zweier konkurrierende Projekte beim Kampf um Mitarbeiterkapazität und Zeitpläne.

Dies könnte man vielleicht auch durch ein Projektmanagement-Office außerhalb der Hierarchie steuern, ich halte das aber für schwierig.

Ich kenne nur wenige Firmen, die mit ernst zu nehmenden Methoden arbeiten, um projektübergreifend zu steuern.

In den vergangenen Jahren habe ich Teams und Konzepte kennengelernt, bei denen die Mitarbeiter nicht nur eigenverantwortlich Probleme lösten, sondern auch etwa demokratisch über Neuanstellungen und Gehälter entscheiden. Ich glaube, dass solche Konzepte funktionieren, aber spätestens, wenn es unangenehme Personalentscheidungen gibt, ist „man“ doch wieder froh, dass eine Hierarchie die Drecksarbeit macht.

Apropos Drecksarbeit

Vor ein paar Jahren hatte ich den geilsten und cleversten Programmierer in meinem Team, der jemals auf Erden gewandelt ist – zumindest hielt er sich selbst dafür. Die Realität sah anders aus: Ich habe fast jeden Abend bis 23:00 daheim gesessen, Codereview gemacht, ihm am nächsten Tag seine Fehler erklärt, neue Aufgaben gegeben. Support bis an die Schmerzgrenze.

Trotz Erklärung, warum sein Programm auf keinen Fall funktionieren könne, und sogar zum Stillstand beim Kunden führe, wollte er es beim Kunden aktivieren – nur um zu beweisen, dass es doch funktioniert. Zum Glück bemerkte ein QS-Kollege im Codereview die fatalen Fehler und stoppte die Aktivierung.

Hier griff dann doch die „Punish-Variante“. Wenn ich kein Höchstleister bin, muss ich eben den Befehlen des „Generals“ gehorchen.

punisch vs. punish

Im letzten Blogpost spielte mir die Rechtschreibkorrektur einen Streich: Aus „Support don’t punish“ wurde „Support, don’t punisch“. Damit ihr nicht googeln müsst: Punische Kriege, Hannibal, Elefanten, Alpen usw.

Vor ein paar Jahren schenkte mir meine großartige Ex-Chefin ein Buch: „Das Hannibal-Prinzip – Mutig führen, menschlich bleiben“. Hannibals Führungskonzept basierte demnach auf den folgenden Werten: Mut, Disziplin, Intelligenz, Vertrauen und Menschlichkeit. Wenn dies eine Reihenfolge ist: Ich würde Vertrauen und Menschlichkeit weiter nach vorne bringen, denn diese Werte sind für mich wichtiger, als die Intelligenz des „Generals“.

Ich glaube das nicht, dass Projekt Krieg ist, aber es schadet auch nichts, wenn man die Werkzeuge des Krieges beherrscht. Ich glaube aber auch nicht, dass Hierarchien schaden – wenn diese mit Mut, Disziplin, Vertrauen, Menschlichkeit und Intelligenz führen.